Auf der Suche …

…nach dem Grab von Werner Empen

 

Suche nach dem Grab von Werner Empen,      * 19.02.1924 auf Nordstrand  † 21.05.1944 in Bessarabien            

 

Bericht einer Reise nach Moldawien im Oktober 2007

 

Wer den alten katholischen Friedhof auf  Nordstrand  zwischen altkatholischer Kirche und der ehemaligen katholischen Schule besucht, kommt gleich am Eingang an der Gedenktafel für Werner Empen vorbei, der als Soldat 1944 in Bessarabien gefallen ist. Rudi und Erika wollten seit vielen Jahren den Begräbnisort ihres älteren Bruders besuchen. Lange Zeit gab es keine genaueren Informationen über den Soldatenfriedhof in dem Dorf Oniţkani am Dnjestr, auf dem er beigesetzt war. Und die politischen Verhältnisse in Moldawien, zu dem das Gebiet Bessarabien gehört, machten Reisen sehr schwierig. Seit der Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge dort tätig sein kann, hat sich die Lage verbessert. So beschlossen Rudi und sein Sohn Michael, Erika und ich, im Frühjahr 2007 die Reise endlich zu unternehmen. Rudis plötzliche schwere Erkrankung zwang uns aber, die Reise erst einmal zu verschieben.

 

Doch am 16. Oktober war es dann tatsächlich soweit. Die Nordstrander fuhren nach  Hamburg, wo Günter sie schon am Flughafen erwartete und ihr Auto in Empfang nahm. Ich startete in München und wir trafen uns in Budapest und reisten dann gemeinsam weiter nach Chişinau, der Hauptstadt von Moldawien.

Die Reise war seit langem vorbereitet worden von einer Dolmetscherin in Moldawien, die uns vom Volksbund empfohlen worden war. Frau Olga Scerbinina ist eine pensionierte Professorin für die deutsche Sprache an der Universität von Chişinau und erwies sich für uns als ein wahrer Glücksgriff. Sie hatte eine Großraumlimousine mit Fahrer für uns organisiert und begleitete uns während der ganzen Zeit. Insbesondere war sie einige Wochen vor unserer Ankunft in Oniţkani gewesen und hatte mit dem Bürgermeister des Ortes unseren Besuch vorbereitet. Er hatte versprochen, dafür zu sorgen, dass bei unserem Besuch einige Dorfbewohner anwesend sein würden, die während des Krieges in Oniţkani gelebt hatten und andere, die über den ehemaligen deutschen Soldatenfriedhof  Bescheid wussten.

 

Wir kamen am 17.10. um 10.00 Uhr in Oniţkani an und wurden im Gemeindeamt von sechs Frauen mit Spannung erwartet, darunter der Vertreterin des Bürgermeisters, der Rektorin des örtlichen Lyzeums und ihrer Stellvertreterin. Eine der anwesenden Frauen war im Jahre 1926 geboren. Der Bürgermeister selbst hatte am Vorabend bei Frau Scerbinina seine Abwesenheit mit einem dringenden Termin bei Gericht in Chişinau entschuldigt.

 

Wir erfuhren, dass der ursprüngliche deutsche Soldatenfriedhof auf dem Grundstück eines Bojaren angelegt worden war, der in sowjetischer Zeit enteignet worden war und wohl auch getötet wurde. Die einfachen Soldaten seien in langen Reihengräbern bestattet worden, die Offiziere in Einzelgräbern. Der Friedhof sei bis etwa 1969 relativ intakt gewesen. Seit dieser Zeit seien aber zunehmend private Häuser in dem sogenannten „Park“ gebaut worden, bis das gesamte Gelände restlos überbaut war. Auch die ehemalige langjährige Bürgermeisterin hat dort ein Haus gebaut (wir haben sie besucht).

 

Wenn bei den Ausschachtungsarbeiten für die Fundamente der Häuser Gebeine gefunden wurden, habe man sie zuerst in den Hof der orthodoxen Kirche gebracht und in der nordöstlichen Ecke begraben. Wir haben diesen Ort besucht. Es war ein Platz, an dem eine Anzahl von Dosen und Flachen deponiert war. Die Kirche war verschlossen, der Pope nicht im Ort bei unserem Besuch.

 

Später habe man sterbliche Reste von Soldaten auf den Gemeindefriedhof gebracht und dort bestattet. Darüber habe man später ein großes Holzkreuz errichtet. Das Grab des verstorbenen Mannes der Rektorin grenzt direkt an das Kreuz. Wir haben diesen Platz besucht. Das Kreuz stand noch, war aber sehr schief  und Aufschriften waren nicht mehr zu lesen.

 

Wir hatten bereits im Gemeindeamt beschlossen, unsere für den Ort gedachte private Spende nicht dem Bürgermeister zu überlassen, sondern der Schule zu spenden. Dies verbesserte das ohnehin freundliche Verhältnis zu den Bewohnern beträchtlich. Wir wurden zum Schluss unseres Besuches zu einem richtigen Festessen in die Aula der Schule eingeladen. Die Rektorin, Frau Galina Voda, sagte uns, dass wir die erste ausländische Delegation im Ort gewesen seien und sie unseren Besuch sehr begrüße.

 

Am 18.10. trafen wir auf dem zentralen Soldatenfriedhof bei Chişinau mit Herrn Lutz Müller vom Volksbund zusammen, der für die Umbettungen in Moldawien zuständig ist. Er berichtete uns, dass er nach Informationen aus Oniţkani im Jahre 2004 dort die Reste von 4 Soldaten geborgen habe und in Block 4 des neuen Zentralfriedhofes überführt habe. Informationen über weitere Fundorte im Ort habe er damals nicht erhalten. Die Bewohner seien ihm gegenüber damals sehr reserviert gewesen. Er zeigte sich überrascht und erfreut über unsere Informationen und erklärte sich bereit, sich um die Bergung der Gebeine aus Oniţkani  zu kümmern, sofern er grünes Licht von der Zentrale des Volksbundes dafür bekäme.

 

Da wir nicht noch einmal nach Oniţkani fahren wollten, baten wir Frau Scerbinina, dafür zu sorgen, dass das schiefe Holzkreuz im Gemeindefriedhof über den Gebeinen der deutschen Soldaten wieder aufgerichtet wird und eine kleine Informationstafel erhält mit der Aufschrift in deutsch und moldawisch: „Hier ruhen die sterblichen Überreste deutscher Soldaten aus den Jahren 1942 – 1944“. Wir gaben ihr € 40,- für die Arbeiten. Sie meinte, das müsse reichen, um Handwerker im Ort zu beauftragen. Das Schild wollte sie selbst anfertigen.

 

Unsere Reise hatte ja keinen touristischen Anlass. Dennoch besuchten wir an einem Vormittag den Weinkeller Milestii Mici in der Nähe der Hauptstadt, der uns geradezu die Sprache verschlug. Er war untergebracht in unterirdischen Gängen mit einer Gesamtlänge von 200 km, von denen 55 km erschlossen waren und mit dem Auto befahren werden konnten. Es handelt sich um eines der größten Weinlager der Welt mit Weinen absoluter Weltklasse. Görings Weinvorrat von 40 000 Flaschen lagert dort auch noch immer. Bei einer Weinprobe 80 mtr. unter der Erde waren wir uns einig, dass wir so etwas im ärmsten Land Europas nicht erwartet hatten.

 

Inzwischen ist eine Antwort aus der Zentrale des Volksbundes in Kassel eingetroffen und wir können davon ausgehen, dass die Gebeine deutscher Soldaten  aus den von uns benannten Grablagen in Oniţkani im kommenden Frühjahr auf den Zentralfriedhof umgebettet werden. Ob die Gebeine von Werner auch darunter sind, wird keiner mehr feststellen können, aber es ist  vielleicht auch nicht mehr so wichtig. Wir haben jedenfalls seine letzte Ruhestätte besucht und dort auch ein Totengebet gesprochen.

 

München, 06.11.2007

Bernd Empen

 

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